Polizeipräsidium Frankfurt am Main
POL-F: 090618 - 779 Polizeipräsidium: Arbeitstagung "Bekämpfung der Häuslichen Gewalt"
Frankfurt (ots)
Unter dem Motto "Intervention und Kooperation bei Häuslicher Gewalt" fand am heutigen Tage eine ganztägige Arbeitstagung des Arbeitskreises INGE im Polizeipräsidium statt. Dank der fundierten Kenntnisse der Referenten und Teilnehmer kam es zu regen Diskussionen. Das Pressepapier zu dieser Veranstaltung ist im Anschluss beigefügt.
"Die Privatsphäre der Wohnung bildet einen Raum für Schutz und Geborgenheit. Gewalt und Misshandlungen dürfen daher gerade dort nicht ungehindert und ungestraft geschehen."
Grundsatz:
Das vernetzte Vorgehen mit aufeinander abgestimmten gesetzlichen Möglichkeiten und dem damit verbundenen Hilfeangebot für die Opfer, soll ein klares Signal an gewalttätige Personen und die Gesellschaft sein, dass "Häusliche Gewalt" vom Staat nicht toleriert werden kann und somit keine Privatsache ist.
Mit diesem Grundsatz startete die Hessische Polizei und damit auch die Polizei Frankfurt am Main im Oktober 2003 in ein neues Zeitalter der Bekämpfung der Häuslichen Gewalt. Jetzt, rund sechs Jahre später will Das Polizeipräsidium Frankfurt/ M. einen Blick zurückwerfen, aber auch die aktuellen Möglichkeiten und Verfahrensweisen darstellen.
Stand die Frankfurter Polizei 2003 noch am Anfang der Vernetzung zwischen den einzelnen Institutionen, so arbeiten zum heutigen Zeitpunkt vom der Polizei angefangen über das Jugend- und Sozialamt, dem Familiengericht und der Amtsanwaltschaft viele Stellen Hand in Hand. Unter der Beteiligung vieler Einrichtungen und Behörden wurde der Arbeitskreis INGE (Intervention bei Gewalt gegen Frauen) erfolgreich eingeführt, wie wir heute rückblickend sagen können.
Die Zwischenbilanz fällt somit nach sechs Jahren sehr positiv aus. Wurden im Jahre 2002 noch 529 Taten von "Häuslicher Gewalt" für den Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Frankfurt/ M. verzeichnet, so weist die Kriminalstatistik des Jahres 2008 insgesamt 1085 Taten von "Häuslicher Gewalt" aus. Dieser Anstieg ist nicht darauf zurückzuführen, dass in Frankfurter Wohnungen mehr Taten begangen wurden, sondern im Gegenteil, die Opfer haben großes Vertrauen in das Netzwerk gefunden und zeigen die Taten nun häufiger bei der Polizei an. Taten die vor 2003 noch im Dunkelfeld ohne Kenntnis der Polizei verübt wurden, finden heute Einzug in die Statistik, weil man um die fundierte Betreuung des Netzwerkes und der Polizei weiß. Dass die Opfer(90% Frauen), im Mittelpunkt der Maßnahmen stehen, zeigt auch der Anstieg der Wegweisungen der Gewalttäter aus der eigenen Wohnung. Waren es im Jahr 2002 64 Fälle, wurden 2008 bereits rund 300 Täter der eigenen Wohnung verwiesen. Zusätzlich wurde in 170 Fällen ein Beratungsgespräch mit einer Betreuungsstelle für die Opfer vereinbart. Dieser "Pro Aktive Ansatz" fand vor 2003 noch keine Anwendung.
An Hand eines schematischen Beispiels soll das Zusammenspiel der einzelnen Bausteine des Netzwerks dargestellt werden:
Ein Notruf, wie er bereits häufig bei der Frankfurter Polizei eingegangen ist, erreicht die Notrufzentrale. Eine besorgte Nachbarin bittet die Polizei um Hilfe, nachdem sie aus der Nachbarwohnung einen lauten Streit wahrgenommen hat. Es wird sofort eine Polizeistreife des zuständigen Reviers zu der Wohnung geschickt.
Vor Ort können die Beamten feststellen, dass die Ehefrau weinend und mit einer blutenden Nase auf dem Sofa sitzt, die beiden minderjährigen Kinder halten sich verängstigt in ihrem Zimmer auf, der Ehemann läuft vollkommen aufgebracht in der Wohnung auf und ab. Er war wegen Differenzen in der Erziehung derart in Rage geraten, dass er seine Frau geschlagen hatte. Der eingesetzten Streife wird mitgeteilt, dass der Ehemann innerhalb der letzten beiden Jahre bereits zweimal dahingehend aufgefallen ist.
Folgende Maßnahmen werden in einem solchen Fall durch die Beamten getroffen: -14 tägige Wegweisung des Ehemanns aus der gemeinsamen Wohnung -Bestimmung einer ladungsfähigen Anschrift des Ehemanns -Strafanzeige wegen Körperverletzung von Amts wegen -Einholung des Einverständnisses der Ehefrau, von einer Beratungsstelle kontaktiert zu werden -Hinweis an den Ehemann, sich z.B. im Männerzentrum beraten zu lassen
Als nächster Schritt wird diese Tat durch den 2003 eingeführten Verbindungsbeamten des zuständigen Reviers weiterbearbeitet:
-getrennte Vernehmung von Ehefrau und Ehemann -Übersendung der Strafanzeige an den Sonderdezernenten der Amtsanwaltschaft Frankfurt/ M. -Mitteilung an das Jugend amt der Stadt Frankfurt/ M. -Ggfs. Mitteilung an das Amt für multikulturelle Angelegenheiten, bei ausländischen Tätern -Hinweis an die Frau einen Antrag nach dem Gewalt Schutz Gesetz ( GewSchG) stellen zu können (z.B. Näherungs- und Kontaktverbot)
Die Ehefrau entschließt sich nach erfolgter Beratung bei einer der drei Frankfurter Beratungsstellen zu einem Antrag nach dem GewSchG beim Familiengericht. Es wird ein Beschluss erstellt, nachdem der Ehemann z.B. für sechs Monate ein Näherungs- und Kontaktverbot auferlegt bekommt und die Ehefrau für diesen Zeitraum die Wohnung zugesprochen bekommt. Wird so gerichtlich entschieden, wird folgendes umgesetzt:
Übermittlung des Beschlusses an den Ehemann durch einen Gerichtsvollzieher Mitteilung an das zuständige Polizeirevier, dass ein solcher Beschluss erteilt wurde
Da der Ehemann als gewaltbereit bekannt ist, bittet der Gerichtsvollzieher um Amtshilfe bei der Aushändigung des Beschlusses an den Ehemann. Zusammen mit der Polizei wird der Ehemann sodann aufgesucht und ihm der Beschluss ausgehändigt. Sollte der Ehemann gegen diese Maßnahmen verstoßen, kann er zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt werden. Während der gesamten Dauer des Verfahrens, steht der Ehefrau in Person des Verbindungsbeamten ein kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung. Begleitend zu diesen beispielhaften Maßnahmen, können im konkreten Fall noch weitere Maßnahmen durch die jeweiligen Institutionen getroffen werden. Zum Beispiel gibt es beim Polizeipräsidium Frankfurt spezielle Gefährdungslagen- Manager, die zum Einsatz kommen, wenn eine Gefährdung für die Ehefrau nicht auszuschließen ist.
Dieses Beispiel zeigt wie die einzelnen Institutionen zusammenarbeiten, um dem Opfer, aber auch dem Täter eine größtmögliche Hilfe zu bieten. Damit diese Maßnahmen immer wieder angepasst werden können, wird sowohl landesweit als auch mittlerweile europaweit zusammen gearbeitet. Es zeigt sich aber auch, dass sich alle Institutionen nicht "auf ihren Lorbeeren ausruhen" können, da dieses Delikt ständiger Beobachtung bedarf und immer wieder, auch über die Medien, die fundierte Hilfe für die Betroffenen dargestellt werden muss.
Im Rahmen der heutigen Fortbildungsveranstaltung sollen die Verbindungsbeamten die Möglichkeit erhalten, sich mit anderen Vertretern des Netzwerks auszutauschen, aber auch Probleme aus der Praxis zu diskutieren. Durch den stetigen Austausch soll das Netzwerk immer wieder modifiziert werden, um die konkreten Maßnahmen anpassen zu können.
Alexander Löhr (-82117)
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