Rheinische Post: Der verbrannte Visionär
Düsseldorf (ots)
Von Sven Gösmann
Wie oft Paul Kirchhof es schon bereut hat, sich in den
Politikbetrieb begeben zu haben, weiß nur seine Frau. Aus einem
begehrten Festredner und angesehenen Verfassungsrichter a.D. ist eine
Zielscheibe geworden, sein Name wird plakatiert ("Wo ist die
Kirchhof-Liste?") wie der eines Staatsfeindes - der gefeierte
Gelehrte dient plötzlich als böser Schwarzer Mann für manches
Wahlkampfmärchen.
Nun könnte man argumentieren: Kirchhof musste wissen, worauf er sich
einlässt. Davon abgesehen, dass er auch aus eigener
Ungeschicklichkeit und Eitelkeit in die Bredouille geraten ist,
stimmt das nicht. Denn Kirchhof musste einen anderen Eindruck haben,
als er Ja sagte: Sein steuerpolitischer Ansatz wird in Teilen der
Wirtschaft vertreten. Viele Punkte im Unions-Wahlprogramm sind
Kirchhoff light. Friedrich Merz, nach dem jetzt aus Unions-Reihen
flehentlich gerufen wird, ist sein politischer Zwilling.
Umso mehr verwundert es, wie lange die Unionsführung der Demontage
Kirchhofs achselzuckend zugesehen hat. Das Bekenntnis für ihn kommt
wahrscheinlich zu spät. Er ist politisch verbrannt. Schlimmer noch:
Die so sympathische Idee des Quereinsteigers, der als Querdenker die
Politik befruchtet, ist auf lange Zeit diskreditiert. Jeder Manager
oder Intellektuelle, der künftig mit dem Wechsel in die Politik
spielt, wird erst mal bei Kirchhof anrufen. Die Antwort kann man sich
denken.Rückfragen bitte an:
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